Technisches Hilfswerk Ortsverband Konstanz

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Blauer Oktober 2018 – THW-Ortsverbände lassen die Erde beben

Am Samstag, 13. Oktober 2018 war es soweit: im Landkreis Konstanz stand wieder der „Blauer Oktober“ auf dem Programm. Vom THW-Ortsverband Singen ausgerichtet, sollte die jährliche Großübung dieses Mal die Wände im Hegau kräftig zum Wackeln bringen. Zumindest auf dem Papier.

Ein Erdbeben der Stärke 5,8 habe das Stadtgebiet von Singen am Hohentwiel erschüttert und zu schweren Gebäudeschäden geführt, so die Überlegungen der Organisatoren. Was beileibe kein aus der Luft gegriffenes Szenario ist. So wurde in der Vergangenheit der westliche Bodensee mehrfach von Erdbeben erschüttert, die ihr Epizentrum z. B. unter der schwäbischen Alb hatten. Auch wenn in der jüngeren Geschichte nur vergleichsweise leichte Gebäudeschäden verursacht wurden, stürzte zuletzt am 16.11.1911 in Konstanz u.a. die Spitze des Münsterturms herab. Ausgegangen war das Erdbeben von der Region um die Stadt Ebingen, die ca. 90 km von Konstanz entfernt liegt. Dort hatte das Beben die Stärke von 6.1 auf der Richterskala erreicht.

Das Pensum, was auf die Bergungsgruppen der THW-Ortsverbände Radolfzell, Stockach und Konstanz und ihre jeweiligen Zugtrupps wartete, war immens. Die zerstörerische Kraft des Erdbebens wurde in dem ausgearbeiteten Einsatzszenario in angeschlagene/ eingestürzte Gebäude, Brücken usw. übertragen und seitens des ausrichtenden Ortverband Singen gekonnt in Szene gesetzt. Auch berichteten fiktive Anrufer von einer Explosion, wobei es sich mutmaßlich um eine Gasexplosion in einer Fahrzeughalle handelte. Zusätzlich zu den technischen Aufgaben galt es an jeder Station vermisste Personen zu finden und Verletzte zu retten.

Der Ortsverband Stockach hatte sein Einsatzgebiet am Singener Bahnhof (Station 3). Die Helfer mussten dort einen durch die Wucht der Erdstöße aus den Schienen gesprungenen Eisenbahnwaggon wieder aufgleisen und drei verletzte Personen retten. Nachdem die unter dem Waggon eingeklemmten verletzten Personen gerettet waren, konnten die Stockacher Helfer den zwölf Tonnen schweren vorderen Bereich des Waggons wieder in die Schiene ziehen.

Die Aktiven des OV Radolfzell hatten in der Singener THW-Unterkunft (Station 2) insgesamt 12 verletzte Personen aus einem teileingestürzten Gebäude zu bergen. Wobei der Zugang nur über eine Trümmerstrecke möglich war und mehrere Durchbrüche durch Beton, Ziegelstein, Metall und Holz erfolgen mussten. Die Aufgabenstellung am Übungsort wurde zusätzlich durch verschiedene im Gebäude verteilte Gefahrstoffe und einen Wassereinbruch im Keller erschwert.

Die Helfer des Ortsverbands Konstanz hatten auf der „Offwiese“, einem Geländeteil der ehemaligen Landesgartenschau, fünf Menschenleben zu retten. Zugang zu dem Einsatzgebiet bestand nur über eine, durch Trümmer zunächst blockierte Eisenbahnüberführung. Um das Schadensszenario der Station 1 möglichst realitätsnah zu gestalten, wurden die verletzten Personen zudem in für sie ausweglosen Situationen platziert. So war eine Person in einen Schacht gefallen, zwei weitere Menschen saßen auf einem Laga-Turm fest, den sie nicht selbstständig verlassen konnten. Die größte Herausforderung stellte jedoch eine auf einem Wehr inmitten der Hegauer Aach festsitzende Person dar. Um diese zu erreichen, blieb den Helfern der 1. Bergung nichts anderes übrig, als eine freitragende Brücke mit dem Einsatzgerüstsystem EGS zubauen. Da ein EGS nicht zur Ausrüstung des Gerätekraftwagen, dem Einsatzfahrzeug der 1. Bergung gehört, musste das Material zunächst separat angefordert werden. Nachdem die Gerüst-Komponenten vor Ort verbracht worden waren, griffen auch die Schweizer Kollegen des Zivilschutzes aus Andelfingen beherzt zu. Da das THW Singen bereits seit Jahren sehr gute Kontakte zum Zivilschutz Andelfingen unterhält, lag es nahe, die Zusammenarbeit auch einmal im simulierten Ernstfall zu vertiefen. Innerhalb einer Stunde errichteten alle gemeinsam ein Tragwerk aus Metall, bei dem nach dem Prinzip des Vorbauens Modul für Modul aneinandergesetzt wurde. Zu guter Letzt überspannte eine Behelfsbrücke das Gewässer und die verletzte Person hätte geborgen werden können.

Unterstützt wurde die Personenrettung von den Sanitätsorganisationen (DRK, Malteser und Johanniter). Diese bauten am Parkplatz Offwiese eigens eine zentrale Patientenablage auf. Vor Ort waren auch ein leitender Notarzt und ein organisatorischer Leiter des Rettungsdienstes mit Notarzteinsatzfahrzeug, sieben Notfall-Krankentransportwagen und einem Rettungstransportwagen. Während der gesamten Übung stand die mobile Einsatzzentrale der Fachgruppe Führung und Kommunikation im GFB Villingen-Schwenningen auf dem Hupak-Gelände und gewährleistete einen reibungslosen Informationsaustausch zwischen den Stationen, den Rettungsdiensten und der Übungsleitung.

Die Dämmerung brach bereits über dem Hegau herein, als eine rundum gelungene, lehrreiche Übung zu Ende ging. Damit die Helfer nicht hungrig und durstig in ihre Unterkünfte einrücken mussten, sorgte der Log V des Ortsverband Konstanz für die Abschlussverpflegung der rund 130 Personen.

Die beteiligten THW-Helfer waren mit dem von den Singener Kollegen ausgearbeiteten Schadensszenario sehr zufrieden. Besonders hervorgehoben werden kann zudem die gelungene grenzüberschreitende Zusammenarbeit. So fügten sich Kollegen der Schweizer Zivilschutzorganisation „nahtlos“ in die Übung ein. Aber auch die neue, modulare Struktur der Personenrettung war ein Erfolg auf ganzer Linie. Am Ende zeigten sich die Führungskräfte der Blaulichtorganisationen von der Leistungsfähigkeit der THW-Ortsverbände im Landkreis rundum überzeugt und lobten die professionelle Zusammenarbeit aller Beteiligten.

Geschrieben von Ulrich Jacoby am 07. Okt 2018.

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